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Das Humboldt Forum im Berliner Schloss ist endlich vollständig eröffnet, doch die Diskussionen um diesen Bau gehen weiter. Seit einem Jahr steht der Förderverein Berliner Schloss in der Kritik: fast ein Dutzend private Spender sollen aus dem rechten bis rechtsradikalen Milieu sein, im Einzelfall sogar offen antisemitische Positionen vertreten haben. Der Förderverein distanziert sich nicht und auch die Leitung des Humboldt-Forums schwieg sehr lange. Diese Woche sollte es endlich mehr Klarheit geben.
November über Berlin. Im grauen Himmel leuchtet das goldene Kreuz des Stadtschlosses mit seiner Kuppel und des Kaisers Bibelvers - der Preußens Machtanspruch von Gottesgnaden postuliert.
Unten im Sitzungssaal 1 geht es auch um die Frage, wer das bezahlt hat. Der Stiftungsrat des Humboldt-Forums tagt. Es geht um die privaten Spenden - 100 Mio. € - die ein Förderverein von Schloss-Enthusiasten 10 Jahre lang eifrig gesammelt hat. Aber seit einem Jahr herrscht Undank: Kommt ein Teil des Geldes aus ganz rechten und oder sogar rechtsradikalen Kreisen? Wie verhindert man in Zukunft dubiose Spenden? Die Sitzung beginnt.
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien
"Gut, so, Dankeschön..."
Die Medien müssen raus. 4 Stunden wird man tagen, dann verkündet die Kulturstaatsministerin das Ergebnis:
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien
"Wir haben heute einvernehmlich unterstützt, dass es eine neue Spendenrichtlinie geben wird, in der der Anspruch fixiert ist, dass der Vorstand erfährt, wer spendet."
Die alte Spenderrichtlinie – galt seit 2012 bis jetzt. Mit ihr konnte der oberste Spendensammler Wilhelm von Boddien Geld einsammeln, ohne sagen zu müssen, woher es kommt. Ein Förderverein – wie ein verschwiegener Spendenautomat.
Wilhelm von Boddien, Förderverein Berliner Schloss (2011)
"Der Spendenautomat ist nichts anderes als ein Parkautomat, wie ihn jeder von der Straße kennt. Sie schmeißen einen Betrag rein, hier Münzen oder Scheine, später auch Scheck und Kreditkarte. Und in dem Moment, wo sie aufhören einzuzahlen und "Ticket drucken" drücken, kommt nicht ein Parkschein raus, sondern eine Spendenbescheinigung, die sie im Finanzamt vorlegen können."
Der Verein nahm bereitwillig die Spenden für die Replik der historischen Fassade an, ohne nachzufragen. Und die Stiftung Humboldt Forum nahm das Geld ebenfalls an – ohne nachzufragen. Aber dann kam der Architektur-Experte Philipp Oswalt. Ehemals Bauhausdirektor in Dessau, jetzt Professor an der Universität Kassel und ging die Spenderlisten durch: Dort traf er auf den inzwischen verstorbenen Ehrhardt Bödecker. Ehemals Chef der Weber-Bank und beinharter Preußenfan.
Philipp Oswalt, Architekturtheoretiker
"Sein Idealbild ist das deutsche Kaiserreich, wo er ganz klar sagt: Er befürwortet ein Gesellschaftssystem, in dem es keine freie Presse gibt, in dem es keine Gewerkschaften gibt. In dem es keinen Parteienkampf gibt. Das alles ist uneffektiv, das ist ein Verschleiß von gesellschaftlichen Kräften. Es braucht einen starken Führer, einen starken Herrscher, wie es z.B. Kaiser Wilhelm II. war. Das hat Deutschland nach vorn gebracht. Das ist sein Idealbild."
1 Million € hat Bödecker gespendet. Heute heißt es: Wir wussten nicht, wer er ist. Die Frage ist: Konnte oder wollte man es nicht wissen? Ein Blick ins Archiv reicht und schnell wird deutlich – der alte Mann hatte sein ganz eigenes Preußenbild.
Ehrhardt Bödecker (2003)
"Da hat Preußen ein völlig falsches Image. Preußen war nicht so militärisch wie’s geschildert wird. Das stimmt einfach nicht. Es war kein aggressiver Staat!"
Architekt Oswalt fand bei Bödecker aber noch ganz andere Zitate: Z.B. solche, die das Ausmaß des Holocaust bestreiten, die den West-Alliierten vorwerfen, die Deutschen einer "Gehirnwäsche" unterzogen und das deutsche Volk "erniedrigt" zu haben...
Kurz nach Bekanntwerden der Zitate ließ Bödeckers Sohn die Gedenkplakette des Vaters im Schloss eilig entfernen.
Hartmut Dorgerloh, Generalintendant Humboldt Forum
"Von Positionen des Spenders distanzieren wir uns sehr klar. Wir haben aber das sehr genau uns überlegt. Wir haben das sehr genau abgewogen und kommen im Ergebnis zu dem Schluss, dass hier eine Rückzahlung der Spendengelder nicht zwingend erforderlich ist."
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien
"Im Einzelfall wird zu überprüfen sein, ob Gelder zurückzugeben sind. Das wird eine Debatte sein, auf der Basis des Gutachtens."
Weiterer Ärger ist also vorprogrammiert. Das Humboldt Forum ist zur Geisel seiner Spendensammler geworden. Man hat ein Historiker-Gutachten über Bödecker in Auftrag gegeben. Aber es liegt seit 7 Wochen im Humboldt Forum unter Verschluss. Warum eigentlich? Inzwischen kam heraus, dass ein halbes Dutzend Spenden für die Schlossfassade aus AfD-Kreisen kommt.
Der oberste Spendensammler von Boddien redet überhaupt nicht mehr mit Journalisten. Er lässt sich von dem prominenten Anwalt Peter Raue vertreten. Der aber zieht sich auf eine rein formale Position zurück.
Peter Raue, Rechtsanwalt
"Also der Satz beim Geld - es stinkt nicht, ist hier durchaus relevant. Nicht der Förderverein hat dem Humboldt Forum Schaden zugefügt, sondern Herr Oswalt mit seinen ins Blaue hinein aufgestellten Behauptungen."
Wenn aber Geld wirklich nicht stinkt, warum diskutiert die Öffentlichkeit dann seit einem Jahr über die Spenden für das Humboldt Forum?
Philipp Oswalt, Architekturtheoretiker
"Ich glaube tatsächlich, dass es ein Fehler war, dass man anonyme Spenden akzeptiert hat. Dass man die Spenden nicht rückabwickeln will, ich glaube das hat ganz andere Gründe: Der Förderverein selber hat gar kein Interesse, er steht ja zu allen Spendern und zu allen Spenden."
Die Krisensitzung diese Woche hat nur ein dürftiges Ergebnis gebracht: In Zukunft will man wissen, wer spendet... Aber damit allein kommt das Humboldt Forum mit seiner Vergangenheit noch nicht ins Reine.
Autor: Ulf Kalkreuth