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Alice Schwarzer ist bis heute provokant und streitbar, wird verehrt oder geringgeschätzt. Ein neuer Spielfilm erzählt jetzt von ihren Anfängen als Feministin. Es ist eine Reise in eine Zeit, da im Westen Frauen ihre Ehemänner fragen mussten, ob sie arbeiten dürfen, Abtreibung noch strafbar war und Sexismus zum Alltag gehörte.
TV-Ausschnitt, "Freitagnacht", SFB 1988
"Herr Löwitsch, guckense mich mal an. Stellen Sie sich mal vor, es würde sich ne Frau benehmen wie Sie… Verstehen Sie? Können Sie mir folgen?"
Wie auch immer man zu ihr stehen mag – ein großes Kämpferinnenherz wird ihr niemand absprechen. Als Mann wäre sie wohl nicht so weit gekommen, hat Alice Schwarzer einmal gesagt - die Empörung als Antrieb hätte ihr gefehlt. Schwarzers Bedeutung zeigt sich unter anderem daran, wie die hiesige Medienlandschaft ihr zu Geburtstagen huldigt. Jetzt, zum Achtzigsten, mit einem Fernsehfilm über die frühen Jahre.
Filmausschnitt, "Alice", Regie: Nicole Weegemann, 30.11., 20:15 Uhr im Ersten
"Die Lösung ist, dass ich für Ihre Zeitung nicht mehr schreibe."
- "Sie sind nicht nur Sexistin, sie sind auch Faschistin."
"Auf uns und darauf, dass wir niemals unseren Mund halten werden."
Alice Schwarzer, Publizistin und Frauenrechtlerin
"Ich finde, dass der Film den Zeitgeist ziemlich gut erfasst. Diese Aufbruchsstimmung, dieses Nach-vorne-Stürmen und gerade wir Frauen, wir haben uns gedacht: "Wir haben Recht!“. Wir haben die Türen eingetreten, wir haben auch gefeiert, das sieht man schon."
Warum man sich in deutschen Filmen immer so drehen muss, wenn es einem gerade gut geht, bleibt uns trotzdem ein Rätsel. Aber weiter – der Fernsehfilm "Alice" zeigt, wie aus Alice - Alice Schwarzer - wird.
Filmausschnitt, "Alice", Regie: Nicole Weegemann
"Ich bin überfällig, sechs Wochen…"
In Paris, wo Alice Schwarzer damals lebt, treibt eine Freundin heimlich und illegal ab – lebensgefährlich und entwürdigend. Erlebnisse wie diese prägen die junge Alice.
Filmausschnitt, "Alice", Regie: Nicole Weegemann
"Renate, Du musst ins Krankenhaus!"
- "Es geht schon."
Jahre später setzt sich Schwarzer für das Recht auf Abtreibung auch in Deutschland ein.
"Frauen fordern öffentlich Entscheidungsfreiheit für oder gegen ein Kind."
Bekenntnisse im "Stern", Unterschriftensammlung gegen den Paragrafen 218. Worauf ist sie stolz, diese Mutter Courage?
Alice Schwarzer, Journalistin
"Darauf, dass ich Menschen Mut gemacht habe und immer noch mache. In erster Linie Frauen, aber auch so manchem Mann. Für die ist es auch erleichternd, dass sie nicht immer Machos sein müssen sondern Mensch sein dürfen."
Filmausschnitt, "Alice", Regie: Nicole Weegemann
- "Ihre Arbeitsproben lesen sich überraschend vielversprechend."
"Wieso überraschend?"
Die Männer – Alice Schwarzer trifft auf ein, auch heute noch, mächtiges Bollwerk. Angriffe gehören zu ihrem Leben dazu.
Filmausschnitt, "Alice", Regie: Nicole Weegemann
"Also, sie sind der Meinung, dass ich keinen abgekriegt habe und man nur mal ordentlich so wieder über mich rüber müsste…"
- "Ganz genau!"
Ein dickes Fell und ein starker Intellekt helfen – aber dennoch…
Alice Schwarzer, Herausgeberin "Emma"
"Ich wusste, dass man gerade Frauenrechtlerinnen nicht mit Argumenten begegnet, sondern versucht, sie runterzuziehen. Sie zu diskreditieren. Zu sagen: "so redest Du doch nur, weil Du keinen abgekriegt hast." Die Nummer kannte ich theoretisch schon aus der Geschichte, die war ja nicht neu. Aber trotzdem, das muss man ja erstmal wegstecken. Und es sollte ja nicht nur mich alleine einschüchtern. Es sollte mich einschüchtern, Schwarzer soll mal die Klappe halten. Aber es sollte ein Zeichen für die Frauen sein. Guck mal, das machen wir mit so einer, die das macht. Und welche Frau traut sich schon…"
"Wir müssen unsere eigenen Strukturen haben. Also, wir dürfen nicht in einer Situation sein, wo man uns das gewährt und dieses Gewähren ist jederzeit rücknehmbar, sondern wir müssen eine eigene Stimme haben."
Der Fernsehfilm endet gnädig mit der ersten Ausgabe der Frauenzeitschrift "Emma", gegründet vor 45 Jahren. Spätestens jetzt also ist Alice Alice Schwarzer – Happy End?
Viele Kämpfe sind noch gefolgt, viel Kritik hat sie auf sich gezogen. Im Kachelmannprozess verzettelt sie sich als Autorin der "Bild"-Zeitung, man wirft ihr einseitige Berichterstattung gegen den Moderator vor. Auch als ihr Steuerhinterziehung nachgewiesen wird, bietet ihr die Springerpresse ein Forum. Eine erstaunliche Nähe. In der Kopftuchdebatte wird sie von manchen als islamfeindlich eingestuft. Sie bleibt auch heute bei ihrer Ansicht, aktueller Anlass: Die Proteste im Iran.
Alice Schwarzer, Journalistin
"Wenn Sie mich fragen, warum siehst Du das Kopftuch so kritisch, würde ich sagen, guck mal, was es bedeutet. Und wäre nicht eigentlich eine Zeit, in der im Namen des Kopftuches Frauen foltert und ermordet – und das tut man schon lange und jetzt kommt es wieder ans Tagelicht – wäre das nicht eigentlich der Moment, wo man aus Solidarität mit diesen Frauen das Kopftuch ablehnt?"
Zu tun gibt es so oder so noch genug in ihrer Sache – dass Influencerinnen heute mit Shopping- und Beautytipps punkten, lässt ihr die Haare zu Berge stehen. Dass aber Männer hinterm Kinderwagen ein ganz alltägliches Bild sind, ist ein kleiner Triumph.
Alice Schwarzer, Journalistin
"Und wenn die mir begegnen, Männer mit Kinderwagen oder Kind auf dem Arm, und wenn die mich erkennen, dann geht so ein Ruck durch die und die sagen sich: "Da kann Schwarzer aber mal sehen, bitte schön!". Und sie haben ja recht, ich freue mich total darüber. So muss es weitergehen."
Und das einst so starke Geschlecht darf inzwischen auch gerne mal schwach sein. Alice Schwarzer hat viel erreicht – für Frauen und Männer.
Ausschnitt, Harald Schmidt, Entertainer (2002)
"Und was machen Sie mit der "Emma"?"
- "Ich schau‘ mir gern die scharfen Fotos an, ich lese sehr gerne die politischen Artikel und ich habe immer ein aktuelles "Emma"-Exemplar unter der Windschutzscheibe in meinem Auto liegen, damit mich keiner anpöbelt, wenn ich auf dem Frauenparkplatz halte zum shoppen!"
Autor*innen: S. Prell / V. Kleber