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An der Deutschen Oper fiel im letzten Jahr plötzlich der Sänger des Siegfried in Wagners Ring aus. Der Amerikaner Clay Hilley sprang spontan ein – rettete den Ring und wurde in Deutschland als Entdeckung gefeiert. Bisher unterwegs an den bedeutenden Opernbühnen von New York bis Salzburg, kommt er jetzt erneut als Wagners Tristan an die Deutsche Oper.
Ein Heldentenor im Bademantel. Gleich beginnt die Probe zu Richard Wagners "Tristan und Isolde". Volle Konzentration bei Clay Hilley – schon vorher bittet er uns per Mail, das Interview auf den nächsten Tag zu verschieben. Zu viel Druck - dieser dritte Akt verlangt ihm alles ab.
Clay Hilley, Opernsänger
"In dem einen Akt sind alleine viereinhalb oder fünf Arien. Die Arien sind extrem intensiv, nicht nur stimmlich, auch musikalisch, es ist mit die seltsamste Musik. Sie ist sehr modern, nichts ist so im Rhythmus, wie man es erwartet."
Wagnerscher Gefühlstaumel – eben noch "verloren", dann die Hoffnung auf die Rückkehr der geliebten Isolde. Das können nicht so viele, und dann auch noch mit einer so strahlend klaren Stimme.
Clay Hilley, Opernsänger
"Ich kann mir wenig im Leben vorstellen, das besser ist, als diese Art von Katharsis – von einem so riesigen Klang, ein Teil von so etwas Großem zu sein. Es sind mit die größten Klänge in der Musik."
Clay Hilley ist zurück an der Deutschen Oper an der Bismarckstraße – vor einem guten Jahr erreichte ihn in den USA ein Anruf – es wurde dringend ein neuer "Siegfried" für Wagners "Ring des Nibelungen" gesucht. Das war seine Chance.
Clay Hilley, Opernsänger
"Die Deutsche Oper ist jetzt meine Opernheimat. Sie sind hier so nett zu mir gewesen. Ich war vorher oft die Zweitbesetzung, auf Zuruf. Hier haben sie den Mut und das Vertrauen in mich gehabt – sie haben gesagt: Er ist jung und die Rollen sind schwierig, aber wir glauben, dass er es draufhat."
Seit diesem einen Anruf aus Berlin also klingeln bei Clay Hilley häufiger die Topadressen der Klassik an.
"Hallo… Hilley?"
Neulich im Sommerurlaub in Italien wieder ein besonderer Hilferuf: das Wagner-Mekka sucht einen Siegfried, schnell!
"Wunderbar! "
Clay Hilley, Opernsänger
"Bevor ich das Telefonat angenommen habe, habe ich gesagt: Okay, ich glaube der Urlaub wird kürzer. "
Auch diese Rettungstat wurde ein Erfolg. Ein Heldentenor, halt. Doch er bespielt auch die kleinere Bühne, wenn es ein Herzensanliegen ist – an einem Septemberabend im Wedding bringt er bei einem Salonkonzert zwei Lieben zusammen. Die eine: Italienische Opernarien.
Clay Hilley, Opernsänger
"Die Grundlage allen guten Gesangs liegt in einem italienischen Ansatz, selbst bei Wagner. Es soll möglichst weich, frei und verbunden sein."
Die andere große Liebe: Seine Frau Sara. Auch die ist Opernsängerin.
Sara Duchovnay, Opernsängerin
"Ich lebe mit meinem Lieblingssänger zusammen."
Clay Hilley, Opernsänger
"Ich lebe auch mit meiner Lieblingssängerin zusammen."
Sara Duchovnay, Opernsängerin
"Es ist wunderbar, mit jemandem zusammen zu sein, der einen versteht, mit dem man sich austauschen kann – dem man nicht erklären muss, was es heißt, Sängerin zu sein und dieses verrückte Leben zu führen."
Apropos verrücktes Leben: In den USA haben die beiden im Wohnwagen gelebt und sind von Engagement zu Engagement gefahren – seit einem Jahr, seit dem Ring an der Deutschen Oper, leben sie in Berlin.
Clay Hilley, Opernsänger
"Das ist unsere erste Wohnung überhaupt. Seit unserer Hochzeit haben wir immer nur im Wohnwagen gelebt. Und jetzt haben wir zum ersten Mal einen Vertrag unterschrieben, der nicht nur über zwei Monate zur Untermiete ging."
Um Clay Hilley muss man sich im Moment also wirklich keine Sorgen machen – wer weiß, wenn das nächste Mal das Telefon klingelt… Was da noch kommen mag.
"Nächste Woche? - Ja, warum nicht."
Autor: Steffen Prell