Drama - "Risiken & Nebenwirkungen"
Wie weit geht die Liebe beziehungsweise wie weit geht sie eben nicht? Das ist die zentrale Frage in Michael Kreihsls bitterbösem Ehedrama "Risiken & Nebenwirkungen". Dabei überzeugen vor allem die Hauptdarsteller:innen und ihre pointierten Dialoge.
Kathrin (Inka Friedrich) und Arnold (Samuel Finzi) führen eine glückliche Ehe. Eigentlich. Sie ist Pilates-Trainerin im Fitness-Studio, er leitet ein großes Architekturbüro in Wien. Die beiden leben in einem schicken Haus am Stadtrand, haben eine schicke Tochter und schicke Freunde – und am Wochenende geht es zum Klettern in die Berge. Als Kathrin bei einem Routinecheck erfährt, dass sie an einer Niereninsuffizienz leidet und dringend eine Spenderniere braucht, gerät die schöne Fassade jedoch schnell ins Wanken. Denn Arnold hat zwar die gleiche Blutgruppe wie seine Frau, käme also als Organspender in Frage. Doch leider ist der dynamische Star-Architekt ein jämmerlicher Angsthase und kann sich nicht entscheiden, ob er nun seiner Frau helfen soll oder nicht.
Eine in die Jahre gekommene Liebe
"Dein ist mein ganzes Herz" heißt es oft zu Beginn einer großen Liebe. Was aber ist, wenn diese Liebe schon etwas in die Jahre gekommen ist und der Alltag heftig an ihr nagt? Dann kann es schon mal zu Problemen kommen. Probleme, die dieser Film genüsslich ausbreitet. Wunderbar mitanzusehen, wie Samuel Finzi als zaudernder Ehemann versucht, sich aus der misslichen Lage herauszuwinden, während seine Ehefrau erst die Geduld und dann die Fassung verliert. Könnte nicht vielleicht die Mutter ...? Ach nein, die ist ja Alkoholikerin. Der Vater ist schon lange tot, die eigene Tochter kann man wohl kaum fragen. Sogar über eine illegale Spenderniere aus dem Darknet denkt Arnold nach.
Die Rettung kommt beim Abendessen
Die Rettung kommt schließlich bei einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden. Der gutmütige Götz – sympathisch vertrottelt gespielt von Thomas Mraz – ist ein echter Freund und muss nicht zweimal nachdenken, wenn ein Mensch in Not ist. Doch leider hat er die Rechnung ohne seine zänkische Ehefrau Diana (Pia Hierzegger) gemacht, die über die Organe ihres Gatten gerne mitbestimmen möchte. Und auch Arnold ist über den Großmut des Freundes keineswegs erfreut, stellt dieser doch seinen eigenen Egoismus umso deutlicher bloß. Schnell schaukeln sich die Dinge hoch und aus dem harmlosen Zweipersonen-Kammerspiel wird ein bitterböses Quartett.
Ein bitterböses Quartett
"Risiken & Nebenwirkungen" ist eine Adaption des Bühnenstücks "Die Niere", 2018 veröffentlicht vom österreichischen Kabarettisten Stefan Vögel. Michael Kreihsls Leinwandfassung ist von der Bühnenversion ziemlich brav abgefilmt. So wirkt die Dramaturgie recht statisch, der Text geht kaum einmal über die Theaterfassung hinaus und die Szenerie wechselt meist nur zwischen dem heimischen Wohnzimmer, der Küche und irgendwelchen Restaurantinterieurs hin und her.
Verfilmtes Theater
Dass am Ende – nach 90 Minuten und allerlei überraschenden Wendungen – doch ein vergnüglicher Kinoabend herausspringt, ist letztlich vor allem dem gut aufgelegten Darsteller-Quartett zu verdanken und den pointierten Dialogen von Stefan Vögel.
Carsten Beyer, rbbKultur