Drama - "An einem schönen Morgen"
Eine alleinerziehende Mutter im Kampf gegen die Widrigkeiten des Alltags: "An einem schönen Morgen" zeigt Frankreichs Kino-Star Léa Seydoux in einer wenig glamourösen Umgebung. Doch das Ex-Bond-Girl kommt auch mit dieser Rolle gut zurecht und trägt entscheidend zum Gelingen von Mia Hansen-Løves gefühlvollem Liebesdrama bei.
Sandra Kinsler (Léa Seydoux) ist eine Frau Mitte 30, die sich durch den tristen Pariser Winter schlägt. Sie ist alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter, arbeitet in einem anstrengenden Job als Übersetzerin und muss sich nebenbei auch noch um ihren dementen Vater Georg (Pascal Greggory) kümmern. Der war einst Professor für deutsche Literatur und eine Koryphäe auf seinem Gebiet, nun aber findet er sich nicht mal mehr in seiner Wohnung zurecht. Und die Suche nach einem Heimplatz gestaltet sich kompliziert ...
Licht im trüben Alltag
Ein bisschen Licht am trüben Horizont bringt die Begegnung mit ihrem alten Jugendfreund Clément (Melvil Poupaud). Aus einem zufälligen Treffen im Park wird schnell eine romantische Affäre, die Sandra von ihren Sorgen ablenkt. Clément ist zärtlich, aufmerksam und witzig. Doch zu Hause hat er eine Frau und ein Kind. Weil ihm die Kraft fehlt, sich aus seiner unglücklichen Ehe zu befreien, droht die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft zu scheitern.
Einfühlsame Dialoge
Mia Hansen-Løve liebt das beiläufige Erzählen. Ihre Filme sind voll hintergründiger Dramatik. Auf fulminante Action, auf den ganz großen Knall wartet man bei ihr vergeblich. Stattdessen treibt sie ihre Handlung über lange, einfühlsame Dialoge voran, manchmal auch nur über Blicke und Gesten. Ein Kino, wie man es noch von den Filmen des französischen Altmeister Éric Rohmer kennt, das aber auch im Paris von heute funktioniert.
Mehr als nur Glamour-Girl
Fingerspitzengefühl hat Mia Hansen-Løve auch mit der Auswahl ihrer Hauptdarstellerin bewiesen: Léa Seydoux ist einer der bekanntesten Schauspielerinnen des französischen Kinos. Sie war das letzte Bond-Girl an der Seite von Daniel Craig, sie hat mit Regisseuren wie Quentin Tarantino, Ridley Scott und Woody Allen gedreht – und sie ist Dauergast bei den Filmfestspielen in Cannes. Doch Seydoux kann viel mehr als nur Glamour-Girl. Wie ihre Sandra durch den Pariser Alltag hetzt zwischen Kita, Pflegeheim und Beruf, die Augen sehnlich auf ihr Handy gerichtet in der Hoffnung auf eine Nachricht von ihrem Geliebten, das ist absolut überzeugend.
Überzeugende Nebenrollen
Nicht nur Léa Seydoux trägt zum Gelingen dieses Films bei, auch die anderen Darsteller:innen können überzeugen: Melvil Poupaud als leidenschaftlicher, aber unentschlossener Liebhaber, Pascal Greggory als verwirrter Professor, der nur noch in der Vergangenheit lebt und mit der Gegenwart nicht mehr klarkommt und auch Nicole Garcia als Sandras resolute Mutter Françoise – sie alle machen diesen Film zu einem Kino-Erlebnis.
Kitsch oder Balsam für die Seele?
"An einem schönen Morgen" zeigt eine Frau in einer schwierigen Lebensphase, die ihre Überzeugungen trotz aller Widrigkeiten nicht verrät und die am Ende für ihre Konsequenz belohnt wird. Das kann man kitschig finden, man kann es aber auch als Balsam für die Seele genießen. Das Leben ist schließlich hart genug.
Carsten Beyer, rbbKultur