Album der Woche | 07.06. - 12.06.2022 - Sebastian Manz und Herbert Schuch: "Brahms | Schumann | Gade"
Einspielungen der Klarinettensonaten von Johannes Brahms sind keine Seltenheit. Doch mit seinem besonders delikaten Spiel kann Sebastian Manz den Werken neue Facetten abgewinnen. Fantasiestücke von Robert Schumann und Niels Wilhelm Gade vervollständigen sein erstes Album zusammen mit dem Pianisten Herbert Schuch. Zudem war die Aufnahmesituation im österreichischen Schwarzenberg überaus reizvoll.
Bekannt geworden ist der kleine Ort unweit des Bodensees durch das "Schubertiade"-Festival. Dieses findet auch im Schwarzenberger Angelika-Kauffmann-Saal statt, einer Fest- und Mehrzweckhalle, die auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Scheune und Turnhalle wirkt. Doch der aus einheimischen Holz hergestellte Saal besitzt eine ausgezeichnete Akustik, insbesondere für Kammermusik.
Im Grünen
Sebastian Manz hat sich schon vor Jahren in die Akustik des Saales verliebt, wie er sagt. Deshalb ist er für die Aufnahme in den idyllischen Ort gekommen. "Uns war es sehr wichtig, die perfekten Rahmenbedingungen zu schaffen. Dieser Saal liegt inmitten von Natur, man schaut raus und sieht die Kühe weiden. In dem Moment, wenn man dort ist, ist man in einer eigenen Welt. Wir haben uns viel Zeit gelassen und viel ausprobiert.“
Hawaii-Feeling
Zum ungewöhnlichen Ambiente passte sogar das "Aufnahmestudio", bei dem es sich um einen umgebauten VW-Transporters des Tonmeisters handelte. Der fuhr nach der Produktion damit zum Wandern in die Berge. Herbert Schuch sah hier "ein bisschen Hawaii-Atmosphäre" mitschwingen, "man müsste oben eigentlich nur noch die Surfbretter hochladen und dann auf die perfekte Welle warten."
Der Pianist glaubt, dass die ländliche und entspannte Atmosphäre – für die Aufnahme nahm man fünf Tage Zeit – auch auf die Haltung beim Musizieren abgefärbt hat.
Delikat
Herausgekommen ist eine Aufnahme, die Manz im Booklet zur CD als "spontane und risikoreiche Klangfarben-Orgie" bezeichnet. Risiken eingehen und spontan vom Geprobten und gut Überlegten der Interpretation abweichen, war sicher ein entscheidender Bestandteil der Aufnahmesessions. Doch beim Anhören verblüfft insbesondere der delikate, sensible Klang der Klarinette. Nie klingt sie schrill oder forciert, selbst an lauten Stellen nicht.
Selbstverständlich kenne er die Gefahr, dass sich sein Instrument "röhrig oder trötig" anhören könne, sagt der Solist, doch solle bei ihm keinesfalls – im Gegensatz dazu – alles nur dunkel und weich klingen. Wichtig ist ihm, "dass die Musik auch im Forte atmet."
Leichteres
Neben den beiden gut bekannten Klarinettensonaten von Brahms, der mit diesen Meisterwerken seinen letzten musikalischen Frühling erlebte, finden sich noch zwei Folgen von Fantasiestücken auf dem Album. Die erste, ebenfalls regelmäßig aufgenommen, stammt von Robert Schumann.
Bei der zweiten Werkgruppe handelt es sich um die vier Fantasiestücke, op. 43, des Dänen Niels Wilhelm Gade. Diese werden zwar häufig bei "Jugend musiziert" gespielt, aber selten aufgenommen. Manz und Schuch brechen eine Lanze für diesen etwas leichtgewichtigeren Zyklus, der aber, so Sebastian Manz, viele interpretatorische Freiheiten gewährt und "erlaubt, auch spontan aus dem Bauch heraus zu musizieren.“
Altes Klavier
Zur speziellen Klangästhetik der Aufnahme trägt auch der etwa einhundert Jahre alte Steinway D-Flügel des Angelika-Kauffmann-Saales bei. Der Pianist erschrak zunächst, weil das Instrument nicht sehr laut gespielt werden kann. Dann aber sah er die Vorteile, die er so zusammenfasst: "Er hat dafür eine Binnendynamik, die es erlaubt, sehr durchsichtig zu gestalten. Der Klang ist eher silbrig und nicht dick, wie bei manchen neueren Steinways. Das war ein großes Glück, weil es uns eine schöne Feinzeichnung ermöglichte.“
Menscheln
Für beide Musiker, die auch einen ähnlichen Humor haben, waren die Schwarzenberger Tage Ende September 2021 ein besonderes Erlebnis. Herbert Schuch fasst diese "Sternstunden des Musizierens" für sich mit diesen Worten zusammen: "Dieses zu zweit sein – also, es menschelte da schon auch wahnsinnig stark und es gab dann eine Ebene, wo man sich wortlos verstand. Und das macht mich einfach glücklich. Also es waren wirklich ganz herrliche Tage.“
Rainer Baumgärtner, rbbKultur