Kriegsalltag in Kyjiw | rbbkultur-REIHE -
Die ukrainische Schriftstellerin und Künstlerin Yevgenia Belorusets sendet jeden Tag eine Nachricht aus Kyjiw an rbb Kultur, in der sie davon erzählt, wie sie den Krieg erlebt.
Ein Abend in Kiew. Elf Uhr nachts. Luftalarm hinter meinem Fenster. Ich höre Explosionen. Es ist sehr schrecklich. Ich bemerke, dass meine Fenster noch nicht verdunkelt sind. Versehentlich habe ich es vergessen und werde es dringend tun.
Der Terror dauert an in der Ukraine. Es gibt Anschläge auf Luzk. Das Leben läuft seltsamerweise weiter, aber man kann sich eigentlich gar nicht an diesen Terror gewöhnen. Vielleicht anderswo. Vielleicht sind die Menschen in Deutschland schon an diese Nachrichten aus der Ukraine gewöhnt. Vielleicht sehen sie es als eine Krise, die andauert, als etwas, das weiterläuft. Aber hier in der Ukraine ist es eine unerträgliche Tragödie, die jeden Tag aufhören soll.
Ich sprach gestern mit einer Frau aus Donbass, aus dem Gebiet Luhansk. Sie ist dort, weil ihre alte Verwandte da ist und nicht wegfahren will. Sie bleibt, um sie zu pflegen. Sie fragte mich: Was denken Sie? Wird der Krieg in den nächsten Tagen endlich enden? Und für mich war es so schwer, ihr zu sagen, dass ich denke, dass dieser Krieg noch einige Zeit weitergeht und dass es in Donbass noch schlimmer sein wird. Das war unerträglich auszusprechen. Auch weil ich wusste, dass an der Schule, an der sie als Kinderpsychologen und Kunstlehrerin arbeitet, eine Rakete den Schulhof getroffen hat. Man muss die Schule wieder aufbauen, reparieren und die Schüler denken überhaupt nicht mehr daran, dass sie diese Schule wieder besuchen werden. Sie versuchen sich zu versammeln, sie reden in Chats. Einige sind geflohen, aber sehr viele Kinder sind noch geblieben.
Ich denke an Ostern, an das ukrainische Ostern. Mit einer Riesenhoffnung, dass diese Absurdität, dieser Terror doch aufhört und nicht, wie einige Experten mit ruhigen Stimmen sagen, noch einige Wochen oder Monate dauern wird, sondern sehr bald zu Ende geht.