Kriegsalltag in Kyjiw | rbbkultur-REIHE -
Die ukrainische Schriftstellerin und Künstlerin Yevgenia Belorusets sendet jeden Tag eine Nachricht aus Kyjiw an rbb Kultur, in der sie davon erzählt, wie sie den Krieg erlebt.
Ein langer Lockdown in Kyjiw. Heute darf man nicht rausgehen, es sei denn es gibt einen Luftalarm und dann kann man in den Schutzbunker gehen oder zurück in die Wohnung, wenn der Luftalarm wieder abgestellt ist. Die Stadt ist leer, niemand ist draußen. Wenn man die Stimmen hört, weiß man sofort, es ist Militär. Es gab Beschüsse. Luftabwehr hörte man den ganzen Morgen, aber es gab auch Beschüsse und ich spürte, mein Haus zitterte wieder.
Etwas wurde getroffen in Kyjiw und es ist wirklich so. Einige Häuser in Podil sind verletzt. Kleine Privathäuser fast im Zentrum der Stadt, die immer für mich wie ein Wunder waren, wie die Reste einer alten Kyjiwer Welt. Jetzt waren sie - vielleicht zufällig - von russischen Raketen zerstört. Für wen konnte so ein Haus ein Objekt des Krieges sein?
Es ist einfach ein Zufall. Eine zufällige Attacke auf die Stadt, ein Terror, der versucht immer wieder die Stadtbewohner zu erschrecken, in eine Panik zu versetzen. Aber die Stadt bleibt ruhig. Viele bleiben in Kyjiw, viele kommen sogar hierher zurück. Einige verreisen, klar. Einige, die spüren, dass die Gefahr sich nähert, wenn ein Schlag neben ihrem Haus in unmittelbarer Nähe stattfindet. Das zwingt sogar die alten Menschen, Kyjiw zu verlassen.
Heute war ich sehr kurz auf der Straße. Es war der Weg aus dem Haus meiner Eltern zu meiner Wohnung, und ich habe bemerkt, wie seltsam die Stadt wirkt. Sie ist absolut leer und man hört, wie die Vögel sich bewegen, wie der Wind mit einer Tüte spielt und jede kleinste Bewegung wird zur Gefahr, wird bedrohlich. Der Krieg ist eigentlich fähig, die Stadt aufzufressen, den eigenen Hof, die eigene Straße zu entfremden. Aber ich glaube sehr stark daran, dass diese unglaublich schwierige Phase bald vorbei sein wird, dass Frieden gewinnt.