Kriegsalltag in Kyjiw | rbbkultur-REIHE -
Die ukrainische Schriftstellerin und Künstlerin Yevgenia Belorusets sendet jeden Tag eine Nachricht aus Kiyjw an rbb Kultur, in der sie davon erzählt, wie sie den Krieg erlebt.
Ich bin sehr spät schlafen gegangen, um zwei oder halb drei Uhr nachts und kurz vor fünf bin ich aufgewacht, weil mein Haus zitterte, Fenster zitterten. Ich spürte eine riesige Unruhe und hörte zwei laute Explosionen. Ich ging in den Flur, wo die Wände dichter sind. Und setzte mich auf den Boden mit meinem Computer. Ich versuchte, die Gedanken zu sammeln, ich dachte, das einzige, was ich jetzt kann, ist etwas aufzuschreiben und aufzuschreiben, wie man sich fühlt in diesem Moment. Ich trank etwas Wasser und beruhigte mich nach einiger Zeit, als ich verstand, dass keine weiteren Explosionen kommen.
Ich ging ins Zimmer und versuchte noch ein wenig zu schlafen. Als der Morgen kam, wollte ich unbedingt ausgehen. Ich wusste, es beginnt eine sehr lange Sperrstunde und morgen werde ich die Stadt überhaupt nicht sehen können wie auch die Anderen. Ich ging raus und dann sah ich: Kyjiw hat sich wirklich verändert. Ich habe erwartet, die Straßen werden wie immer leer sein oder noch gespenstischer, noch leerer. Aber in Wirklichkeit waren die Straßen voll von Menschen und voll von jungen Menschen.
Sogar die Kioske, die immer geschlossen waren, wurden plötzlich geöffnet. Als ob die ganze Stadt begann zu rebellieren gegen diese Beschüsse, gegen die Idee, dass man diese Stadt einschüchtern kann. Es war eine riesige Überraschung. Ich betrachtete die Menschen, die am Kiosk standen, Kaffee tranken. Ich sah die Straße, wo die Autos fuhren. Ich sah auch sehr viele Hunderte von Menschen, die mit ihren Hunden spazierten, die einkaufen gingen. Die schienen einfach zwecklos durch die Straßen zu laufen, zu spazieren und einander zuzulachen.
Ich habe auch Bekannte getroffen. Ja, es ist eine Art des Widerstands, der heute in Kyjiw stattfand. So eine verschwörungslose gemeinsame Geste der Ungehorsamkeit, der Bereitschaft, einen Lebensrhythmus, das städtische Leben, dieser Gewalt gegenüberzustellen. Dieser wilden Gewalt, diesem Terror, der gerade bei uns in den Städten stattfindet.