Hans Otto Theater - "Die schmutzigen Hände" von Jean-Paul Sartre
1943, im fiktiven Illyrien, zur Zeit der deutschen Besatzung: Der junge Hugo schließt sich der Kommunistischen Partei an, um mit seiner bürgerlichen Herkunft zu brechen. Im kommunistischen Kollektiv versucht er seinem Leben durch eine Tat einen Sinn zu verleihen. Er stimmt zu, den Parteiführer Hoederer zu ermorden .Sartres Drama, uraufgeführt 1948, ist eine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und eine Abrechnung mit den Irrtümern jedweder Ideologie. Der berühmte Klassiker wurde am Freitag im Hans Otto Theater in Potsdam in der Inszenierung von Christoph Mehler aufgeführt.
Die Politik, sagt man, ist ein unsauberes Geschäft. Kann man die Revolution mit sauberen Mitteln herbeiführen? Oder muss man sich, wenn es hart auf hart geht, die Finger schmutzig machen? Jean-Paul Sartres politisches Theaterstück von 1948 verhandelt eben dies. Moral und Idealismus – oder Pragmatismus?
Mehler belässt die Handlung im Zweiten Weltkrieg - mit wenigen Anspielungen aufs Heute
Bei Sartre spielt das Stück in einem fiktiven Balkan-Staat namens Illyrien. Nehle Balkenhausen hat für die Potsdamer Inszenierung einen provisorisch wirkenden Raum entworfen. Ein großes Zimmer ist mit Plastikplanen ausgelegt, als hätten hier grade Bauarbeiten stattgefunden – solange die Handlung bei der linken Genossin Olga spielt. Wechselt sie zum Parteisekretär Hoederer, verschwinden die Planen und man bewegt sich in einer alten Gründerzeit-Villa: hohe Decken, Kamin, gepflegte Hausbar.
Der Regisseur Christoph Mehler belässt die Handlung im Zweiten Weltkrieg. Noch immer wird verhandelt, wie man sich als linke Proletarierpartei verhält, wenn die russischen Kommunisten einmarschieren. Mit wenigen Anspielungen aufs Heute: Die gesprengte Brücke in Kursk wird erwähnt als Hinweis auf den russischen Angriffskrieg der Gegenwart. Und auch die kesse Jessica kriegt ein, zwei pseudofeministische Sprüche über alte weiße Männer in den Mund gelegt.
Aktuelle Grundfrage
Die Grundfrage des Stücks ist zu allen Zeiten aktuell, so auch heute: Soll man der Ukraine Waffen liefern? Macht man sich die Hände schmutzig, wenn man Prinzipien über Bord wirft – oder wenn man an ihnen festhält?
Im Zentrum steht der Aristokratensohn Hugo, der sich in der Kommunistischen Partei beweisen und seinem Leben einen Nutzen geben will. Er wird darauf angesetzt, den Parteisekretär Hoederer umzubringen, damit der den Pakt mit den Regierungsparteien nicht abschließen kann, um nach dem Krieg mitzuregieren. Hugo, der naive Dogmatiker, lässt sich jedoch von den Argumenten Hoederers, dem menschlichen Pragmatiker, überzeugen. Er erschießt Hoederer letztlich nur, weil seine Frau mit ihm anbandelt. Die Ironie des politischen Pragmatismus und Zynismus: Zwei Jahre später schwenkt die kommunistische Partei auf denselben Kurs wie Hoederer, rehabilitiert ihn posthum und verschleiert den Mord.
Endlose Dialoge
Man hat das Stück oft als antikommunistisch gelesen, wogegen sich Sartre stets gewehrt hat. Nicht einzelne Parteien wollte er wohl kritisieren, sondern starren Dogmatismus. Problematisch bleibt allerdings, dass im Stück pausenlos geredet wird. Diese endlosen Dialoge muss man erst mal zum Leben erwecken, den spannender Thriller darunter hervorholen. Heutige Inszenierungen scheitern häufig daran.
In letzter Konsequenz ist das auch in Potsdam der Fall. Christoph Mehler probiert eine gewagte Setzung: Er lässt die Geschichte als Farce erzählen, als völlig überzeichnete Groteske.
Hugo steht hier als narzisstischer, verweichlichter Hysteriker auf der Bühne, für seine in allen Tonlagen schreienden Frau Jessica ist alles nur ein lustiges Spiel, und Hoederer, ursprünglich die väterliche, charismatische Machtfigur, schmeißt sich schlüpfrig und erbärmlich an die junge Jessica ran.
Das Gebrüll und Rumgehampel, inklusive Breischlacht, Kotzerei, Pimmeltanz und anderem Slapstick, passt manchmal gar nicht so schlecht zu Sartres Dialogen, ist oft aber furchtbar anstrengend. Doch Christoph Mehler weiß, wann er Inhalt liefern muss: An den neuralgischen Punkten, wenn die intellektuellen Auseinandersetzungen zwischen Hugo und Hoederer anstehen, lässt er es ernst werden.
Was dieser Stoff heute noch zu sagen hat, kommt völlig zu kurz
Das stetige Rollenspiel, das Jessica mit Hugo probiert, als wäre das ganze Leben nur ein Als-ob, baut Mehler geschickt aus, bricht immer wieder das Theaterspiel. Und die Schauspieler, allen voran Paul Sies als Hugo, Guido Lambrecht als Hoederer und Jon-Kaare Koppe in einer kleinen Nebenrolle, können famos Komödie.
Mehler schlägt sich also gar nicht schlecht durch den schwierigen Sartre-Text. Was uns dieser Stoff heute noch zu sagen hat, kommt dagegen völlig zu kurz. Bis auf eine allgemeine, brave Kritik an jedweder Ideologie hat der Regisseur wenig mitzuteilen. Gerade in Kriegszeiten wie diesen, in denen die Grünen derzeit eine irre realpolitische Kehrtwende machen, hätte man da deutlich mehr rausholen können – und müssen.
Barbara Behrendt, rbbKultur