Berliner Ensemble - "Der Theatermacher" von Thomas Bernhard
Lange war Thomas Bernhards "Der Theatermacher" eher selten zu sehen, doch jetzt erlebt das Stück eine Renaissance. Herbert Fritsch hat es in Frankfurt am Main inszeniert, Kai Voges in Dortmund und Wien, und nun gibt es den "Theatermacher" auch am Berliner Ensemble - mit einer Frau in der Titelrolle ...
Aus dem Theatermacher wird keine Theatermacherin. Das Stück wird nicht umgedeutet. Stefanie Reinsperger spielt einen Mann – Bruscon, der sich selbst "Staatsschauspieler" nennt, obwohl er auf eigene Kosten mit einem selbstgeschriebenen Stück durch die Lande reist.
Bruscon - ein alter weißer Mann
Er hält sich für genial und verachtet die Provinz, in der es seiner Meinung nach nur Dummheit und stinkende Schweinemastanlagen gibt. Auch seine Frau und seine Kinder, die neben ihm auf der Bühne stehen, findet er unerträglich.
Er ist ein arroganter alter weißer Mann, wie er im Buche steht. Gerade deshalb passt es auch, die Figur von einer Frau spielen zu lassen. Bruscons patriarchalisches Gehabe, seine Sprüche, dass Frauen im Theater nichts begreifen, dass sie ein "Theaterhemmschuh" seien, erweisen sich als Nonsens.
Stefanie Reinsperger ist eine Wucht
Stefanie Reinsperger ist eine Wucht. Sie baut sich breitbeinig auf der Bühne auf, zeigt aber auch, dass dieses Kraftvolle nur eine Behauptung ist. Ihr Bruscon ist ausgelaugt. Er hat ein bleiches Gesicht und rot unterlaufene Augen und am Anfang geht immer wieder ein Zucken durch seinen Körper. Das hat einerseits mit Ekel zu tun – schon wenn Bruscon den Namen des Dorfs ausspricht, wo er gerade ist, schüttelt es ihn – andererseits steckt ihm die bisherige Tournee in den Knochen.
Toll ist auch, dass Stefanie Reinsperger aus Österreich stammt und den Bernhardschen Tonfall beherrscht. Das Stück ist eine einzige Suada – bitterböse und zugleich witzig. Bernhard hält Komik und Tragik perfekt in der Balance.
Reese inszeniert zu sehr in Richtung Karikatur
Genau das versucht auch der Regisseur Oliver Reese – doch ihm gelingt es nicht immer. Vor allem am Anfang rutscht die Inszenierung zu sehr in Richtung Karikatur. Da steht Bruscon als zuckendes Wrack in einem künstlichen Raum, der halb Gasthof, halb Fabrikhalle ist – unten holzgetäfelt, oben Beton und Industriefenster. Es gibt ein Bühnenpodest unter dem Müll und Schmutz hervorquellen. An den Lampen hängen ein paar traurige Girlandenreste. Der provinzielle Mief wird überdeutlich ausgestellt. Die Stühle sind aus billigem weißem Plastik und der Campingtisch, der vom Wirt herbeigeschafft wird, ist so wacklig, dass Bruscon ihn in Stücke schlagen kann – einfach so, in einem kaum motivierten Wutanfall. Die Szene wirkt wie ein Fremdkörper.
Stark ist die Inszenierung vor allem da, wo die dunklen Seiten des Theatermachers gezeigt werden – die Gemeinheit, mit der er seine Frau und seine Kinder quält. Er putzt sie immerfort herunter, will aber andererseits von ihnen geliebt und bestätigt werden – besonders von der Tochter, die er so heftig umarmt, dass es übergriffig ist.
Mit ihr arbeitet er auch als Regisseur, lässt sie einen Text aufsagen und explodiert, als sie seinen Erwartungen nicht genügt. Da wird seine Kunstbesessenheit greifbar, aber auch seine Rücksichtslosigkeit – für mich der Höhepunkt dieses Abends.
Eine akzeptable Inszenierung
Doch die Inszenierung hat auch Längen. Bruscon ist zu sehr das abgewrackte Ekel. Seine Faszination und Verführungskraft werden nicht ausreichend spürbar. Man fragt sich, warum die anderen Figuren sich seine Gemeinheiten gefallen lassen. Überhaupt ist Oliver Reese für die Nebenfiguren wenig eingefallen. Sie stehen meist nur da und zeigen mit überdeutlicher Mimik, was sie gerade denken.
Trotz dieser Schwächen ist dem Berliner Ensemble eine akzeptable Inszenierung gelungen. Vor allem Stefanie Reinsperger ist sehenswert.
Oliver Kranz, rbbKultur