Philharmonie Berlin - Daniil Trifonov und das Orchestre National de France
Daniil Trifonov ist mit seinen gerade einmal 31 Jahren bereits einer der gefeiertsten Pianisten der Gegenwart. Mit seiner bahnbrechenden Anschlagskultur konnte er diesmal dem einzigen Klavierkonzert von Alexander Skrjabin faszinierende Facetten abgewinnen.
Daniil Trifonov weiß, wie man aus diesem Werk Funken schlägt, wo das Klavier einfach nur eine weitere Klangfarbe des Orchesters ist und wo der Solist brillieren kann. Dabei reichen bei ihm oft wenige Töne, um alles diamantenhaft funkeln zu lassen. Natürlich hat Trifonov auch seine Tigerpranke zur Verfügung, aber hier wird man nicht abgewatscht, sondern auch das hat Tiefe und Fundament.
Sicher – dieses Klavierkonzert von Skrjabin ist kein wirkliches Schwergewicht, aber bei Daniil Trifonov ist es unterhaltsam auf höchstem Niveau.
Dornröschen und Däumling
In seiner Suite "Ma mère l’oye" hat sich Maurice Ravel von Märchenstoffen anregen lassen – von "Dornröschen" oder dem "kleinen Däumling". Aber das waren einfach nur Ausgangspunkte für seine unglaubliche Klangphantasie. Im Original für Klavier zu vier Händen erdacht, ist schon dort jeder Ton eine wahre Kostbarkeit. In seiner eigenen Fassung für kleines Orchester gibt er noch etwas Parfum hinzu.
Das Orchestre National de France ging angenehm mit leichter Melancholie und ein wenig Augenzwinkern an diese Miniaturen heran. Dennoch hätte das alles eine Spur raffinierter präsentiert werden dürfen. Die Musik muss hier ein paar Zentimeter über dem Boden schweben – dafür war es zu schwer, vielleicht auch ein wenig routiniert. Man ist ja gerade auf Tournee und muss das noch ein paarmal spielen.
Tourneeroutine?
Leider noch viel pauschaler hat der Chefdirigent des Orchesters Cristian Măcelaru César Francks große d-Moll-Sinfonie angelegt: breit und flächig, fast durchgehend zu laut, dirigiert mit auslandenden Armbewegungen. Das hätte besser zu Filmmusik à la Hollywood gepasst.
Dabei ist das Orchester in sehr guter Verfassung: Zusammenspiel, Klangkultur, Farbenreichtum – im Prinzip stimmt das alles. Meinte man vielleicht angesichts des noch folgenden anstrengenden Tourneeprogramms, mit 80 Prozent durchzukommen? Angesichts der vielen Vergleichsmöglichkeiten durch die großen hervorragenden Berliner Orchester wäre das allerdings fahrlässig und deutlich zu wenig.
Andreas Göbel, rbbKultur