Komische Oper Berlin - Gala: 75 Jahre Komische Oper Berlin
Happy Birthday: Die Komische Oper Berlin wird 75 Jahre alt! Das wurde gestern Abend mit einer Gala gefeiert. Groß war die Ankündigung, viel Musik wurde versprochen - wie war es am Ende wirklich? Ein würdiges Jubiläum?
Kaum eine Berliner Bühne feiert Jubiläen mit einer pompösen Gala. Ausnahme: die Komische Oper - das einzige Haus mit überstarker corporate identity. Geladen geradezu mit hauseigener Philosophie.
Dabei geht Regisseur Axel Ranisch ("Dicke Mädchen") zurückhaltend mit sich selber um. Er verschwindet hinter zahllosen Film-Interviews, aktuell wie historisch, hinter Wochenschau-Schnippseln von 1947, Probenmitschnitten von Walter Felsenstein und Harry Kupfer sowie Backstage-Drehs. Viel Arbeit hat sich da jemand gemacht. Vorher bekennt sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum "Stolz" auf die Komische Oper.
Wiege des modernen Musiktheaters
Tatsächlich gilt diese als Wiege des modernen "Musiktheaters". Ihr Gründer Felsenstein wertete genau dazu die Oper erstmals auf. Also: weg von bloßer Rampensteherei! Man singt, weil das gesprochene Wort nicht ausreichen würde. Und so, als entstünde alles in derselben Sekunde – und auch für den Augenblick.
Dem sind bis heute alle gefolgt. Auch das gern geschmähte Regietheater geht aus genau dieser Grundidee hervor. So ist es immer noch. An der Komischen Oper versucht man jeden Abend das Rad neu zu erfinden. Was unter Barrie Kosky – der über 75 Jahre Eigengeschichte übrigens gerade hinausblickte (bis zur Vorgeschichte in der Weimarer Republik) – erstaunlich oft gelang.
Prägende Inszenierungen aus jedem Aufführungsjahrzehnt
Aus jedem Aufführungsjahrzehnt wird eine prägende Inszenierung hervorgekramt und im Kostüm anzitiert. Neben der Gründungs-"Fledermaus" sind dies Felsensteins "Schlaues Füchslein" und "Blaubart" (auch in historischen Filmausschnitten). Außerdem Kupfers "Così", Homokis "Liebe zu den drei Orangen" sowie von Kosky "Anatevka". Und, als Höhepunkt: Daggi Manzels "Cleopatra".
Kein Host, keine Schlange lästiger Gratulanten. Einige Sachen funktionieren auch nicht so ganz. Stefan Kurt bleibt als Frosch ein bisschen auf verlorenem Posten. Es gelingt auch nicht, einen Kontakt zur sängerischen Vergangenheit herzustellen. Ehemalige Protagonisten etwa dürfen nicht auf die Bühne. Petrenko kommt gar nicht vor. Trotzdem gibt es kein anderes Theater, das sich so leidenschaftlich unvermindert – und glaubhaft – an die eigene Gründungsmission hält. Respektabel ist das und schön.
Die "alte Tante" riechen
Barrie Kosky, als gewesener Intendant, sitzt nur im Publikum. Bekennt sich aber im Film zu Felsenstein als "Mutterschiff". Und mahnt mit Blick auf die anstehende Sanierung, man möge doch bitteschön darauf verzichten, im Zuschauerraum neu zu malern: "Wenn ich zurückkomme, möchte ich sagen können: 'Ich rieche die alte Tante.'"
Dieser KO-Geruch, besonders im Rang, dürfte eh nicht wegzukriegen sein.
Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur