Philharmonie Berlin - Christian Thielemann dirigiert die Berliner Philharmoniker
Vor 26 Jahren hat Christian Thielemann sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern gegeben. Mit welcher Vertrautheit sich Dirigent und Orchester begegnen, war wieder einmal zu bewundern.
Christian Thielemann ist ein Spezialist für Spätromantik. Wer darunter allerdings Schwere, Dunkelheit oder Übergewicht versteht, sieht sich positiv getäuscht. In Vorspiel und Karfreitagszauber aus "Parsifal" von Richard Wagner scheint alles ein paar Zentimeter über dem Boden zu schweben, und trotzdem hat es eine Dichte, die bis in den letzten Winkel der Philharmonie dringt,
Thielemann setzt auf die großen Linien, verzichtet auf allzu große Schwerkraft. Im Karfreitagszauber lässt er Solo-Oboist Albrecht Mayer eine wunderbare Freiheit, die eine Intimität besitzt, dass man sich nicht in einem Saal mit zweitausend Plätzen, sondern in einem privaten Wohnzimmer wähnt.
Klangästhetik mit Sahnetorte
Wenn jemand Pfitzner dirigieren kann, dann Thielemann. Er tut das in den drei Vorspielen aus dessen Oper "Palestrina" auswendig, vermag es, spätromantisches Fließen mit archaischen Motiven zu koppeln – und macht mehr aus dieser Musik, als sie zu bieten hat.
Arnold Schönbergs Bearbeitung von Präludium und Fuge Es-Dur aus der Orgelmesse von Johann Sebastian Bach gerät ganz ins Schwelgen – das ist Sahnetorte mit dunkler Schokolade drauf.
Sterneniveau mit Strauss
Die Vier letzten Lieder von Richard Strauss gehören zum Leib- und Magengericht von Christian Thielemann – und von Camilla Nylund. Auch wenn man zu Beginn aufgrund allzu großer Zurückhaltung eine Indisposition befürchten musste, blühte ihre Stimme schließlich auf, zeigte Kraft und Textverständlichkeit, ein Eintauchen in die Fluten dieser Musik und eine berührende Nähe.
Thielemann weiß, wie man das begleiten muss. Wo das Orchester die Stimme zu überwuchern drohte, nahm der meisterhafte Begleiter das Strömen zurück, fand aber immer zu einer eigenen, herb-melancholischen Klangfarbe. Das war Musizieren auf Sterneniveau.
Andreas Göbel, rbbKultur