Schallplattensammlung des Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2019 © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Thomas Bruns
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Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Thomas Bruns

Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart | Bis 14.05.2023 - "Broken Music Vol. 2"

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In den Rieckhallen wird ab dem 17. Dezember die Geschichte der Schallplatte als Kunstobjekt neu erzählt. "Broken Music Vol. 2" heißt die Ausstellung – in Anlehnung an die Schau "Broken Music" der West-Berliner Plattenladenbesitzerin Ursula Block aus dem Jahr 1989. Das 2022er-Update kombiniert kunstvolle Plattencover, Musik und Klanginstallationen zu einer beeindruckenden Ausstellung – mit kleinen Schwächen.

Sind es die knalligen, aufwendig gestalteten Cover? Das Knistern der Nadel? "Für mich ist es das Handfeste, das schöne Objekt zum Anfassen". Ursula Block darf man getrost als Schallplatten-Koryphäe bezeichnen. Über 30 Jahre lang, von 1982 bis 2014, stand sie in "Gelbe MUSIK" hinterm Ladentresen. Ihrem Plattenladen in West-Berlin, in der Wilmersdorfer Schaperstraße. Ein kleiner Raum, als Experimentier-Fläche zwischen Vinyl, Musik und Kunst.

"Ich wollte den Sound von bildenden Künstlern zusammenfassen. Im Schaufenster war immer ein Objekt oder etwas Besonderes ausgestellt. Und dann gab es Möglichkeiten, Partituren, Zeichnungen oder kleine Installationen im Raum zu zeigen."

Die Geschichte der Schallplatte neu erzählt

Dieser besondere Mix lockte auch Stars wie Yoko Ono oder Björk an. 1989 fasste Block ihre kuratierte Auswahl in der Schau "Broken Music" zusammen. Vorlage und Basis für die neue Ausstellung "Broken Music Vol. 2 - 70 Jahre Schallplatten und Soundarbeiten von Künstler:innen".

So wuchtig wie der Titel, ist auch die Bandbreite der Schau. 700 Schallplatten auf 2.500 Quadratmetern werden gezeigt. In der beeindruckenden Kulisse der Rieckhallen im Hamburger Bahnhof. In satten zehn Kapiteln wird die Geschichte der Schallplatte neu erzählt. Und in Verbindung gesetzt. Mit Klanginstallationen und Sound-Arbeiten.

Kuratorin Ingrid Buschmann: "Die Auswahl hat sich zum einen durch die Sammlung 'Broken Music' ergeben. Mit Musik bis 1990, ergänzt mit Platten, die wir dazu gekauft haben. Außerdem erweitern wir die Ausstellung mit bildenden Künstlerinnen und Künstler, die Musik als zentralen Bestandteil ihrer Arbeit verstehen."

Sound als Kunstform

Optisch ist die Sammlung beeindruckend. Was an der Raum-Macht der Rieckhallen liegt und dem Design: an der Wand zieht sich ein neon-gelbes Band durch die Räume, Notenlinien nachempfunden. Darunter hängen in mehreren Reihen, wie eine durchgehende Partitur, die jeweils zum Kapitel passenden Platten. Mit kunstvollen Covern.

Es geht also um Design, aber auch um Sound als Kunstform. Die Ausstellung gleicht einem Parcours, der immer wieder "unterbrochen" wird von großformatigen Klanginstallationen. Wie die "Große Raum-Wiege" vom österreichischen Künstler Bernhard Leitners. Zwei weiße, halbrunde Bögen mit Lautsprechern, drei Meter hoch, in der Mitte ein Holzsteg zum Durchgehen.

Faszinierend auch die Video-Installation von Dominique Gonzales-Foerster. In einem Keller-Raum lässt der Franzose mit dem Werk "Opera" Maria Callas lebendig werden. In einem abgedunkelten Separee mit Teppichboden und roten Spots begegnet man dem Opern-Star auf eine ganz besondere Weise.

Bildergalerie

Hamburger Bahnhof: Broken Music Vol. 2

Transfer in die Moderne

Und so pendeln Besucherinnen und Besucher zwischen kunstvollen Schallplatten-Cover, Videoschnipseln und Klanginstallationen von Halle zu Halle. Lernen, wie sich die Platte verändert hat, welche Bedeutung sie in der west- UND ostdeutschen Punkszene hatte, wie sie immer wieder von Künstler:innen als Kunst-Objekt in verschiedener Form eingesetzt wurde. Mit eigenen Labels oder Kooperationen.

Kleiner Minuspunkt: Die Kapitel sind teils sehr nischig und speziell. Zum Beispiel, wenn es um Geräusche aus der Natur oder der Stadt als Ausdruckform geht, die auch auf Platten gepresst und in Soundcollagen eingebaut wurden. Insgesamt würden mehr erklärende Texte gut tun. Um die Zusammenhänge, die Chronologie und die Bedeutung besser zu verstehen.

Aber: die Schau punktet mit interaktiven Elementen. Zum Beispiel einem DJ-Pult mit vier Plattenspielern, dahinter ein Regal voller bunter Schallplatten. Sound-Bites zum selber Mixen. Außerdem gibt es mehrere Hör-Stationen mit Jukebox und ein Audioguide, um die Musik-Tracks auch anzuhören.

All das ein Transfer in die Moderne. In eine Zeit, in der Schallplatten - trotz Spotify und Co – ein Comeback feiern und zum begehrten Sammelobjekt geworden sind.

Vinyl-Koryphäe Ursula Block glaubt, dass die "Broken Music Vol. 2" auch junge Menschen begeistern wird: "So eine Ausstellung entfaltet einfach eine gewisse Wirkung!"

Leon Ginzel, rbbKultur