Monica Bonvicini: Breach of Decor, 2020-2022, Ausstellungsansicht Neue Nationalgalerie © Monica Bonvicini, VG-Bild Kunst, Bonn, 2022 | Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jens Ziehe
Monica Bonvicini, VG-Bild Kunst, Bonn, 2022 | Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jens Ziehe
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Neue Nationalgalerie - Monica Bonvicini: "I Do You"

Bewertung:

Die italienische Bildhauerin und Konzeptkünstlerin Monica Bonvicini hat Soloausstellungen in der ganzen Welt und ist Professorin an der Berliner Universität der Künste. Jetzt hat die Neue Nationalgalerie der erklärten Feministin die ganze obere Etage als Spielwiese gegeben.

Der titelgebende Schriftzug "I do You" ist schon von weitem zu sehen: schwarze Lettern auf einer über haushohen Spiegelwand, als Vorbau vor dem Mies van der Rohe Bau aufgestellt. Nicht nur optisch macht sich Monica Bonvicini schon von außen bemerkbar. Wenn man um die Neue Nationalgalerie herumgeht, ertönt ihre Soundinstallation "Retrospective", bei der eine Stimme um die 2000 Titel von Werken, die Monica Bonvicini im Lauf ihrer Karriere geschaffen hat, rezitiert, von A bis Z.

Festgekettet im Museum

Der Blick durch die Glasfenster nach innen zeigt die nächste Installation: Von der Decke hängen verteilt 20 Edelstahlketten mit jeweils zwei Handschellen am Ende. Hier können sich die Besucherinnen und Besucher anketten, für mindestens eine halbe Stunde, weniger geht nicht. Monica Bonvicini geht es dabei um die Erfahrung, die man macht, wenn man wortwörtlich an das Museum angebunden ist, was dann mit dem Körper, dem Bewusstsein passiert. Eben nicht nur für den kurzen Augenblick einer Selfieaufnahme. "You to me" hat sie diese Installation genannt.

Radikaler Eingriff in die Architektur

Monica Bonvicini hat den gesamten Innenraum der Neuen Nationalgalerie verändert, mittendrin eine Empore von einer Seite zur anderen hineingebaut, deren Spiegelwand so perfekt ist, dass man Gefahr läuft, immer wieder dagegen zu laufen. Auf der Empore ist der Boden bedeckt mit Teppichquadraten, jedes mit anderem Muster, jedes mit einem anderen Bild einer ausgezogenen und achtlos fallen gelassenen Hose darauf. Monica Bonvicinis eigene Hosen, die sie über zwei Jahre lang fotografiert hat.

Zwei Hängematten aus Stahlketten und Leder, die "Chainswings", laden , ebenfalls auf der Empore, das Publikum zum Schaukeln ein und spielen, wie die Handschellen, auf die Sado-Maso-Clubszene an. Genau wie die Sitzmöbel "Bonded Eternmale", Eternit-Sessel des Schweizer Designers Willy Guhl, die sie mit schwarzem Leder überzogen hat. Schließlich eine schwebende Lichtskulptur aus 144 Neonröhren und Kabeln, "Light me Black", eine Arbeit, die sie 2009 für das Art Institute of Chicago entworfen hat, als Antwort auf die Raum- und Lichtkonzepte des Architekten Renzo Piano. Ein gleißender Lichtschocker.

Bildergalerie

Neue Nationalgalerie: Monica Bonvicini. I Do You

Protest gegen patriarchale Strukturen und männlich dominierte Architektur

Monica Bonvicini ist Jahrgang 1965, in Venedig geboren und lebt seit langem in Berlin. Sie hat auch immer wieder ortsspezifische Arbeiten zu ihrer Wahlheimat geschaffen, wie 1998 "2 Tonnen Alte Nationalgalerie". Ein Haufen Schutt, der bei der Sanierung der Alten Nationalgalerie von der Fassade abgetragen wurde. Auch dieser Haufen liegt jetzt in der Neuen Nationalgalerie auf dem Boden.

Insgesamt zeigt Monica Bonvicini hier eine Mischung aus neuen, für diese Ausstellung entstandenen Werken und wichtigen aus ihrer über 30-jährigen internationalen künstlerischen Karriere. Angefangen mit dem Video "Hausfrau Swinging" von 1997, in dem eine nackte Frau mit einem Papphaus über dem Kopf immer wieder gegen die Wände einer Raumecke schlägt. Eine wütender künstlerischer Protest gegen Geschlechterstereotype und patriarchale Unterdrückung.

Mies van der Rohe Bau – ganz anders

In "I do You" spielt Monica Bonvicini mit dem Gebäude der Neuen Nationalgalerie, dem ikonischen Bau von Mies van der Rohe, und verändert ihn, was im Vorfeld schon zu Protesten von "Mieserianern" geführt hat. Joachim Jäger, der stellvertretende Direktor der Neuen Nationalgalerie, hat sie aber gerade aus diesem Grund eingeladen:

"Monica Bonvicini hat sich über Jahrzehnte mit Architektur beschäftigt, aus ganz weiblicher feministischer Sicht, und das fand ich für dieses Gebäude hochinteressant", sagt er. "Die Moderne ist in Diskussion, gilt als sehr männlich, vielleicht sogar noch männlicher als die Kunst, und ich fand es interessant, Monica einzuladen und zu überlegen, wie kann dieses Gebäude vielleicht nochmal anders aussehen. Ich wusste, dass sie sicherlich eine große Intervention machen würde, und sie hat das wirklich eingelöst.“

Monica Bonvicini selbst schätzt das Gebäude der Neuen Nationalgalerie sehr, freut sich aber natürlich, der männlichen Tradition von Architekten und Museumsdirektoren ihre eigene Handschrift entgegensetzen zu können:

"In vielen meiner Ausstellungen, Soloausstellungen in Museen geht es auch darum, einen eigenen Raum zu finden, durch meine Arbeiten zu gestalten, damit man jetzt einfach nicht wieder da ausstellt, wo eine Armee von männlichen Kollegen davor das gemacht haben. Das ist das feministische meiner Arbeiten."

Den eigenen Raum, den hat sie sich hier mit Verve geschaffen.

Andrea Handels, rbbKultur