Komödie - "Die Goldenen Jahre"
"Die Goldenen Jahre" – so heißt ein Spielfilm der schweizerisch-ungarischen Regisseurin Barbara Kulcsar, der diese Woche bei uns ins Kino kommt. Gemeint sind mit "Die Goldenen Jahre" die ersten Jahre des Ruhestands, in denen die Menschen noch fit genug sind, das Leben in vollen Zügen genießen zu können. Der Zeitdruck ist weg, der Arbeitsstress fehlt, es lockt die große Freiheit. Aber "Die Goldenen Jahre" das klingt auch ein bisschen nach Stillstand, Langeweile und Spießigkeit.
Mit dem Ruhestand beginnt die Ratlosigkeit
Der Titel dieses vergnüglichen und charmanten Films ist eher sarkastisch zu verstehen, denn eigentlich fällt Peter Waldvogel nach 37 Jahren in derselben Firma in den dunklen Abgrund der Bedeutungslosigkeit. In sein ehemaliges Büro wird der Server einziehen, sein Arbeitsplatz wird von der Software ersetzt. Zu Hause freut sich seine Frau Alice, dass ihr Mann jetzt im Haushalt helfen wird. Aber Peter schiebt nur lustlos den Staubsauger über den Teppich und träumt von einer Putzfrau. Eigentlich ist das Paar nicht darauf eingestellt, den ganzen Tag in dem großzügigen Bungalow am Stadtrand von Zürich zu verbringen. Rettung soll eine Kreuzfahrt bringen. Weil die Frau eines guten Freundes gestorben ist, nehmen die beiden auch den Witwer mit. "Du musst jetzt nach vorne schauen" muntern die Waldvogels ihren Freund Heinz auf. Aber der antwortet nur: "Was ist denn da vorne – da ist doch nichts mehr". Zum Start der "Goldenen Jahre" herrschen also eher Ratlosigkeit und Trübsal.
Stefan Kurth und Esther Gemsch spielen das Paar mit feiner Ironie
Stefan Kurth trägt einen akkurat gestutzten Schnurrbart, sein Peter ist ein Mann, der sein Heil im Sport sucht. Im Rentenalter wird er Gesundheitsfanatiker und ersetzt die beruflichen Grenzen durch eigene Regeln, die schon fast zwanghaft wirken. Alice ist dagegen auf der Suche. Gleich zu Beginn der Kreuzfahrt geht sie in den Frisiersalon des Schiffes und lässt sich ihre langen Haare zu einer losen Mähne föhnen. Esther Gemsch spielt diese Frau sehr zart, sehr zäh, etwas unsicher, offen für neue Erfahrungen. Und schnell stellt sich heraus, dass auf der Kreuzfahrt keine Abenteuer locken.
Die Waldvogels entkommen der Kreuzfahrt auf unterschiedlichen Wegen.
Alice treibt die Neugier von Bord. Ein Paket mit Liebesbriefen, das ihr die beste Freundin vor dem Tod anvertraut hat, lässt ihr keine Ruhe. Den Briefen ist zu entnehmen, dass Magalie eine Affäre in Frankreich hatte. Als das Kreuzfahrtschiff in Marseille anlegt, geht Alice von Bord. Peter dagegen treibt sein Training im Fitnessraum des Schiffes bis zum Zusammenbruch und muss dann wegen Panikattacken nach Hause geschickt werden. Der Abstand bringt am Ende tatsächlich die Veränderung und der Film wird mehr und mehr eine Geschichte vom Aussteigen aus dem bürgerlichen Leben.
Die Dramaturgie lässt dem Paar Raum für seine Entwicklung
Barbara Kulcsar folgt sehr feinfühlig den doppelbödigen Dialogen des Drehbuchs von Petra Volpe. Der Film beginnt fast wie eine Satire, ist zunächst auch üppig ausgestattet mit dem Chichi der Costa Smeralda, wird dann aber immer weicher und verträumter, je weiter sich die Hauptfiguren von gesellschaftlichen Konventionen entfernen. Die Inszenierung nimmt ein langsameres Tempo an, lässt den beiden angepassten Menschen, die peu à peu ihre Freiheit finden, immer mehr Raum. Das Schönste an dieser Regiearbeit ist, wie subtil sie die Entwicklung begleitet. Am Ende versprechen "Die Goldenen Jahre" doch noch eine glückliche Zeit im Leben zu werden.
Simone Reber, rbbKultur