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Die Sex Pistols, Depeche Mode oder Kraftwerk. Mit illegal eingeschmuggelten Kassetten wurden Punk, New Wave und Elektro zum Begleitsound der Revolution in Rumänien, die zum Fall des kommunistischen Regimes führte. Die Dokumentation "Swamp City" zeigt die Entwicklung der rumänischen Subkultur am Beispiel der Stadt Timisoara.
"Ich wurde mal gefragt: "Was für Musik habt ihr eigentlich während des Ceaucescu-Regimes gehört?" Ich machte einen Witz und sagte: Marschmusik, Patriotische Musik, Rumänische Volksmusik- Genau das Gegenteil von dem, was ich wirklich gehört habe. Musik war für mich eine Flucht aus dieser ganzen Bevormundung und Reglementierung. Sie war mein Rettungsring, meine Art der Revolution."
Erinnerungen an eine bewegte Zeit. 1989 wird in Rumänien das kommunistische Regime von Nikolae Ceaucescu gestürzt. Ausgangspunkt ist nicht die Hauptstadt Bukarest, sondern Timisoara - eine 300.000 Einwohner Stadt im Südwesten des Landes. Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren blüht hier eine lebendige Underground Musikszene.
Die beiden rumänischen Filmemacher Bogdan Puslenghea und Ovidiu Zimcea haben sich auf Spurensuche begeben und lassen in einem rasanten Musikfilm Zeitzeugen zu Wort kommen: Swamp City- Sumpf Stadt.
Bogdan Puslenghea / Ovidiu Zimcea, Filmemacher
"Timisoara kommt aus dem indo-europäischen Sprach und bedeutet Sumpf."
"Also die etymologische Bedeutung ist tatsächlich Sumpf-Stadt - Und es ist ein Sumpf!"
Der Sumpf ist auch Nährboden für eine lebendige Subkultur. Die Jugend Timisoaras rebelliert, wie ihre Altersgenossen im Westen auch. Punk ist ihr Sound; er macht auch vor dem eisernen Vorhang nicht halt.
"Ich erinnere mich an ein Spiel, das wir damals gespielt haben. Ceaucescuiade nannten wir das. Eine Art Darts, bei dem man mit selbst gebastelten Pfeilen auf ein Ceaucescu warf."
Durch die westliche Lage der Stadt, kann man auch Radiosender aus dem Westen empfangen. Verbreitet wird die Musik dann ganz analog. Mit liebevoll gemachten Raubkopien.
Bogdan Puslenghea / Ovidiu Zimcea, Filmemacher
"Auch meine Eltern waren damals Musik Piraten. Ich weiß kein anderes Wort dafür. Es gab so einen Tisch, einen einfachen Kassettenrekorder und da wurde manuell Musik vervielfältigt und auf der Straße verkauft- Ein richtiges kleines Geschäft. So etwas wie "Copyright" gab es damals nicht."
Swamp City ist eine Zeitreise in eine Welt, die es so nicht mehr gibt. Und eine Hommage an musikalische Helden, die vergessen sind.
Bogdan Puslenghea / Ovidiu Zimcea, Filmemacher
"Mein Freund Batranu ist einer der ältesten Punks Rumäniens."
"...von ihm hab ich alles gelernt – Punk – die Sex Pistols, the Clash."
"Probenräume? Sowas brauchten wir nicht, WIR WAREN DER UNDERGROUND."
Einfach machen, loslegen, nicht auf die perfekten Umstände warten. Das ist der Geist des Underground, auch in Timisoara.
Bogdan Puslenghea / Ovidiu Zimcea, Filmemacher
"Ich erinnere mich wie Relu unser Gitarrist sagte: wir haben zu viele Gitarren, wer hält den Rhythmus. Und weil er sehr talentiert war, und Instrumente schnell spielen konnte, war er dann einfach Schlagzeuger."
"Swamp City" entstand ohne Budget oder Förderung. Dafür mit einer Mission.
Bogdan Puslenghea / Ovidiu Zimcea, Filmemacher
"Heute gibt es ein Redewendung und die sagt: "Nichts ist los in Timisoara". Das war einer der Auslöser, diesen Dokumentarfilm zu machen. 2016 haben wir erfahren, dass unsere Stadt Kulturhauptstadt Europas 2023 werden soll. Und wenn man sich heute umschaut- es gibt keine Veranstaltungsorte, keine Bars, nicht mal ein Kino."
Hier, auf dem Festival können beiden Filmemacher zeigen, wie wichtig es ist, kulturelle Freiräume zu schützen.
Autorin: Charlotte Pollex