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In der Ausstellung "Spurensicherung" geht um die Herkunft von Gemälden, Büchern, Archivalien und anderen Objekten aus den Sammlungen der Berliner Akademie der Künste. Mehrere Jahre Provenienzforschung liefern wichtige Informationen über die Entstehung der Werke und zu den Biografien von Künstlerinnen und Künstlern. Vor allem aber halten sie die Erinnerung an die Menschen wach, die einst diese Objekte besaßen.
Arme Urania - das Gesicht besprüht, keine Hand, keine Finger mehr. Lange her, da war sie Figurenschmuck auf einem Gebäude der Akademie der Künste. Seit Jahrzehnten steht sie im Kleistpark in Schöneberg. Doch wer erinnert sich an ihre Geschichte?
Werner Heegewaldt, Archivdirektor Akademie der Künste
"Dort steht sie, aber niemand weiß, woher sie stammt, in welchen Zusammenhang sie gehörte. Also: sie ist bar ihrer Provenienz, ihrer Herkunft."
Nun ist sie umgesetzt worden. Die Urania hat einen temporären Ehrenplatz und begrüßt die Besucher der Ausstellung "Spurensicherung".
Werner Heegewaldt, Archivdirektor Akademie der Künste
"Wir wollen in dieser Ausstellung zeigen, dass die Provenienz nicht nur eine rechtliche Thematik istn sondern Erkenntnisgewinn für ganz unterschiedliche Fragestellungen bietet. Zum Beispiel für den Entstehungskontext eines Kunstwerkes, zum Beispiel für die Biographien von Künstlerinnen und Künstlern, aber natürlich auch für die Sammlungsgeschichte des eigenen Hauses."
Mitunter irrwitzige Geschichten sind das: vom Verschwinden und wieder Auftauchen von Kunstwerken. Diese Gemälde dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben. Wegen Kriegsschäden sollte es in den fünfziger Jahren zerstört werden.
Werner Heegewaldt, Archivdirektor Akademie der Künste
"Jemand hat sich des Bildes bemächtigt, hat aus dem großen Gemälde „Lago di Nemi“ von Lütke den erhaltenen Teil herausgeschnitten. Man kann positiv formuliert sagen: er hat es gerettet, und dann für sich selbst verwertet. Es ist in den Kunsthandel gekommen und 2019 tauchte es in einer Auktion auf. Wir kriegten einen Hinweis darauf und haben dann natürlich die Provenienzforschungsmaschinerie in Gang gesetzt."
Bei der Spurensuche sind historische Inventarlisten wie diese, wertvolle Helfer. Doch selbst von denen sind in Kriegszeiten viele verschwunden.
Max Liebermann war Nachbar der Akademie am Pariser Platz – und lange ihr Präsident. Vor einigen Jahren erwarb die Akademie der Künste ein Skizzenbuch des Malers. Was wie eine Unterschrift aussieht, ist ein Nachlassstempel – und damit ein Anhaltspunkt für die Provenienzforschung. Das Buch muss noch in der NS-Zeit der Familie Liebermann gehört haben, 1943 nahm sich Liebermanns Witwe Martha kurz vor der Deportation das Leben.
Doris Kachel, Kuratorin
"In ihrer Wohnung blieben auch zurück, laut Liste, drei Skizzenbücher. Die Gestapo hat das Wohnungsinventar beschlagnahmt. Und so kann es eben sein, dass unser Skizzenbuch, das mit Zeichnungen versehen ist, die Gartenlokale am Wannsee zeigen und aus den 30er Jahren stammt, noch sich in der Wohnung befunden hat. Es müssen viele Kataloge gewälzt werden, Literatur, Datenbanken, das sind sehr aufwändige, sehr komplexe Recherchen, sehr interdisziplinäre Recherchen. Wir konsultieren Archivare, Restauratoren, müssen eben ganz viele Spuren gleichzeitig verfolgen und nicht immer kommt man natürlich zum Ziel."
In diesem Fall liegt der Verdacht auf NS-Raubkunst nahe – die Akademie hat Kontakt mit der Familie aufgenommen.
Carl Blechen war einer der bedeutenden Professoren der Akademie. Auch seine Zeichnungen lagerten in Kisten wie diesen. Doch der Schutzraum, in dem sie im zweiten Weltkrieg untergebracht waren, wurde beschädigt und geplündert.
Anna Schultz, Kuratorin
"Leider war es auch so, dass der Großteil fehlte. Heute vermissen wir rund drei Viertel unseres ehemaligen Kunstbesitzes. Die Blechen-Skizzen waren auch größtenteils verschollen und von diesen beiden fehlte sehr lange jede Spur. Vor nicht allzu langer Zeit sind sie im Berliner Kunsthandel wieder aufgetaucht, sie wurden bei einem Auktionshaus eingeliefert. Wir wurden darauf hingewisen, dass sich rückseitig Stempel und Inschriften befinden, die das Eigentum der Akademie nahelegen. Es zeigt, wie fragil Kunstbesitz ist und es zeigt aber auch, in dem Fall, dass es durchaus auch ab und zu Happyends gibt."
Werner Heegewaldt, Archivdirektor Akademie der Künste
"Aber die Aufgabe der Prüfung der Kunstwerke in Sammlungsbesitz der Akademie der Künste, die wird weitergehen. Das ist eine Aufgabe, die uns noch in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen wird."
Die Bibliothek von Kritikerpapst Alfred Kerr war einst 120 Regalmeter lang. Das ist davon übrig. Provenienzforschung ist ein Arbeitsfeld mit vielen Leerstellen.
Autor: Steffen Prell