Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen spricht bei einer Kundgebung gegen die Energiepolitik der Bundesregierung und gegen Coronamaßnahmen. Bild: Bodo Schachow/dpa
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- AfD prüft juristische Schritte gegen "Compact"-Magazin

Das rechtsextreme "Compact"-Magazin will die AfD im kommenden Wahlkampf unterstützen. Unter dem Titel "Die blaue Welle rollt” sind bislang zehn Veranstaltungen geplant. Bei den als "Volksfeste" beschriebenen Kundgebungen sollen auch führende AfD-Politiker auftreten. Doch nach Kontraste-Recherchen möchte die AfD damit offenbar nicht in Zusammenhang gebracht werden. Sie prüft nun juristische Schritte gegen Compact. Auch mit einem silbernen Höcke-Taler, der über Compact vertrieben wird, habe die AfD nichts zu tun, heißt es, ebenso mit einer Postkarte, die mit einem Bild von Alice Weidel wirbt.
 
Beitrag von Pune Djalilevand, Silvio Duwe und Chris Humbs

Anmoderation: Es geht also nicht nur um Björn Höcke, es geht nicht nur um die Rechtsextremen, die für die AfD im Bundestag arbeiten – es geht darum, ob das ganze System hat, ob es die Partei durchdringt, sie prägt, bestimmt. Und da gibt es eine Verbindung, die sehr vielsagend ist: Das Magazin "Compact" mit ihrem Chefredakteur Jürgen Elsässer, das der AfD voraus hat, bereits als rechtsextrem eingestuft zu sein, sammelt bereits Spenden für eine Wahlkampfkampagne zur Unterstützung der AfD – und die kommt der Partei - wie wir herausgefunden haben - gerade offenbar ziemlich ungelegen.

Auf dem Youtube-Kanal des rechtsextremen Magazins Compact ist nicht zu übersehen, wie eng die Verbindungen zur AfD sind: Regelmäßig und offenbar gern treten Partei-Funktionäre hier auf.

Das Magazin gilt als Sprachrohr der Neuen Rechten. Der Verfassungsschutz stuft es als gesichert rechtsextremistisch ein.

Dieser Mann steckt hinter der Zeitschrift: Verleger und Chefredakteur Jürgen Elsässer. Er gilt als zentraler Akteur der rechtsextremen Szene und macht keinen Hehl aus seinen Umsturzfantasien:

Jürgen Elsässer, Publizist, Chefredakteur Compact

"Und auch noch ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien ist: Wir wollen einfach das Regime stürzen."

Mit welcher Partei er dieses Ziel erreichen will, sagt er offen – hier an einem Stand der AfD vergangenes Jahr in Meißen:

Jürgen Elsässer, Publizist, Chefredakteur Compact

"Ziel ist ja nicht, dass die AfD stärkste Partei ist in Sachsen nächstes Jahr oder Thüringen nächstes Jahr schon. Ziel ist, dass die AfD allein regieren kann."

Die passenden Devotionalien hat Compact TV dafür auch im Angebot.

"Das ist die Silbermedaille für den kommenden Ministerpräsidenten in Thüringen - Björn Höcke."

Der sogenannte Höcke-Taler, angepriesen wie beim Teleshopping – und rund dreimal so teuer wie vergleichbare Silbermünzen.

"Vertrauen Sie auf Björn Höcke. Identifizieren Sie sich mit Deutschland."

Um der AfD zum Wahlerfolg zu verhelfen, ruft Compact auf ihren Kanälen eine großangelegte Veranstaltungsreihe aus.

"2024, die Blaue Welle rollt."

In etlichen Städten will Compact mit Volksfesten und Bühnenprogramm für die AfD werben – und treibt dafür eifrig Spenden ein.

Jürgen Elsässer, Publizist, Chefredakteur Compact

"Wenn Sie uns unter die Arme greifen wollen, damit wir der AfD unter die Arme greifen können, und dieses blaue Wunder 2024 möglich zu machen, dann zögern Sie nicht, uns zu helfen."

Für die Aktion werden nach eigenen Angaben 91.000 Euro benötigt. Ein Großteil davon sei bereits durch Spenden finanziert. Auf Youtube zeigen sie die geplante Bühne. Sie soll der AfD auch für eigene Veranstaltungen zur Verfügung stehen.

Bundestagsabgeordnete Martina Renner sieht Hinweise auf eine unzulässige Parteienfinanzierung.

Martina Renner (Die Linke), Bundestagsabgeordnete

"Hier wird Wahlkampfunterstützung für die AfD gemacht. Und wenn man einer Partei Geld zukommen lässt, aber auch geldwerte Leistungen, hier eine Bühne, Programm, Technik, Werbung, dann ist das Geld, was der Partei zugutekommt. Und wenn das sozusagen verdeckt läuft, und es läuft ja verdeckt, das ist ja formal eine Veranstaltung von Compact, dann ist es möglicherweise auch verschleierte Parteienfinanzierung. Und das ist illegal!"

Die Bundestagsverwaltung teilt uns mit, sie prüfe den Sachverhalt derzeit.

Wir fragen auch bei der AfD nach – und bekommen eine überraschende Antwort: Man möchte nichts mit der Kampagne zu tun haben.

"Der Bundesvorstand der AfD prüft diesbezüglich eine kurzfristige Abmahnung mit Unterlassungserklärung gegen den Compact Verlag (...)."

Carsten Hütter (AfD), Landtagsabgeordneter Sachsen

"Wir werden am Montag im Bundesvorstand über diese Thematik intensiv beraten und lass uns auch von unseren Juristen diesbezüglich beraten. Aber ich gehe davon aus, dass der Bundesvorstand in Gänze eine Zusammenarbeit, wie auch immer diese geartet ist, Compact Magazin ablehnen wird."

Auf die Kontraste-Frage, seit wann die AfD Kenntnis von der Kampagne habe, teilt Bundesschatzmeister Carsten Hütter heute mit: "Der Bundesverband unserer Partei hat seit zwei Wochen genauere Kenntnis von dieser Veranstaltungsreihe der COMPACT-Magazin GmbH."

Was mit "genauerer Kenntnis" gemeint ist und seit wann die AfD überhaupt Kenntnis von der seit Monaten öffentlich bekannten Kampagne hat, bleibt damit offen.

Dabei ist die Antwort auf diese Frage wichtig: Will eine Partei eine Spende nicht annehmen, so muss sie diese laut Gesetz unverzüglich zurückweisen.

Seit Dezember schon wird bei Compact TV öffentlich um Spenden geworben. Auf der Website zur Veranstaltungsreihe haben sich längst prominente Parteivertreter für die Blaue Welle-Tour angekündigt. Darunter die Brandenburger Landesvorsitzende Bessin oder der Bundestagsabgeordnete Bystron.

Auch mit dem Höcker-Taler will die AfD nichts zu tun haben. Der AfD-Landesverband Thüringen teilt dazu mit, weder er "noch Herr Höcke haben Zuwendungen aus dem Verkauf des Produkts erhalten." Der AfD-Bundesvorstand teilt mit: "Diese Aktion hat mit der AfD nichts zu tun und betrifft allein die Privatperson Björn Höcke – hierzu wird zeitnah eine Klärung mit ihm stattfinden."

Bemerkenswert: In seinem Werbevideo für die Blaue Welle Kampagne huldigt Elsässer nicht nur der AfD, sondern auch den Milchprodukten von Müller Milch.

"Die Buttermilch schmeckt und ist wie eine Schönheitskur von innen. Alles Müller oder was?"

Jürgen Elsässer

"Zum Andenken und zur Honorierung dieses mutigen Mannes haben wir seine besten Sachen aufgereiht".

Hintergrund ist offenbar die durch Medienberichte öffentlich gewordene Freundschaft des Milliardärs Theo Müller mit der AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und dessen Haltung zur Partei. In einem Interview hatte der Milch-Milliardär für Sachsen eine CDU-AfD-Koalition ins Spiel gebracht.

Auf Kontraste-Anfrage, wie das Unternehmen und auch Herr Müller dazu stehen, dass ein rechtsextremes Medium "Müllermilch"-Produkte bewerbe, teilt das Unternehmen mit:

"Uns ist weder das von Ihnen genannte Video, noch "Compact TV" oder die von Ihnen genannte Kampagne bekannt. Dementsprechend erübrigen sich die weiteren Fragen. Wir gehen davon aus, dass der Kontraste-Beitrag keinen anderen Eindruck vermitteln wird."

Die Kontraste-Frage, ob sich das Unternehmen von "Compact TV" distanziert, bleibt somit explizit unbeantwortet.

weitere Themen der Sendung

Bild: dpa
dpa

Showdown in Münster - "AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland"

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hegt einen schlimmen Verdacht: Ist die AfD rechtsextrem? Vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster kommt es diese Woche zum Showdown zwischen AfD und Bundesamt. Das Urteil wird eigentlich für diesen Mittwoch erwartet, doch Prozessbeobachter meinen, eine Verschleppungstaktik der AfD-Anwälte zu erkennen, zudem entwickelt sich der Prozess zu einer Materialschlacht mit tausenden Seiten Gutachten.

Viel hängt vom Urteil der Richter ab: Darf der Verfassungsschutz die AfD als Partei nachrichtendienstlich beobachten? Wird die AfD nach einem für sie negativen Urteil womöglich als "gesichert rechtsextrem" eingestuft – ausgerechnet im Jahr von drei Landtagswahlen und der Europawahl, in denen sich die Partei gute Chancen ausrechnen darf? Steht am Ende ein AfD-Verbot?

Der Verfassungsschutz sammelt seit Jahren Material über die Partei. Zentrale Punkte für den Extremismus-Verdacht des Inlandsgeheimdienstes: "Völkischer Nationalismus", "Verletzung der Menschenwürde" oder "Umsturzfantasien" – und eben nicht mehr nur bei Björn Höcke, sondern auch bei anderen entscheidenden Personen der Partei, wie Kontraste-Recherchen zeigen. Hinzu kommt: Die Verbindungen der Partei zu dem als erwiesen extremistisch eingestuften Magazin "Compact" sind offenbar enger als bislang bekannt.

Beitrag von Andrea Becker, Silvio Duwe, Chris Humbs und Markus Pohl

Junge Frau konsumiert Cannabis. Bild: Andy Rain/EPA
EPA/Andy Rain

Steuert Deutschland ins Cannabis-Chaos?

Schon sehr bald, ab dem 1. April, sollen Anbau und Besitz von Cannabis in Deutschland unter bestimmten Umständen erlaubt sein. Für die geschätzt 4,5 Millionen erwachsenen "Kiffer" in Deutschland endet damit die Angst vor Strafverfolgung. Polizei und Justiz können sich auf die Dealer konzentrieren, so ein Gedanke hinter der neuen Regelung.

Doch viele Bundesländer laufen dagegen Sturm, sie drohen das Cannabis-Gesetz im Bundesrat zu blockieren – aus generellen Bedenken, aber auch weil zehntausende Strafverfahren für Cannabisdelikte überprüft werden müssen – ein immenser Aufwand für die Justiz. Auch langfristig würden die Ermittlungsbehörden nicht entlastet, sagen Kritiker, denn das Gesetz sei viel zu kleinteilig. So müsste die Polizei eigentlich bei jedem öffentlich gerauchten Joint nachmessen, ob der Mindestabstand von 100 Metern zu Kitas, Schulen, Jugendzentren und Spielplätzen eingehalten worden ist.

Eine Kontraste-Abfrage unter den Bundesländern zeigt zudem: Vielerorts ist noch völlig unklar, wer sich um die Genehmigungen und Kontrollen der Cannabisvereine kümmern soll. Deutschland zwischen der Hoffnung auf große Kiffer-Freiheit und drohendem Cannabis-Chaos.

Beitrag von Susett Kleine und Carla Spangenberg